Spitzenmedizin für die kleinsten Patienten

Ruhe und Unterstützung für den Wärmehaushalt im speziellen Brutkasten. Foto: Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara / Marco Warmuth.

Halle. EKH. Dr. med. Klaus Oettel ist Chefarzt der Klinik für Neonatologie und Kinderintensivmedizin am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale). In der engen Zusammenarbeit mit Sachsen-Anhalts größter Geburtsklinik an dem halleschen Krankenhaus beschäftigen sich die ärztlichen und pflegerischen Spezialistinnen und Spezialisten mit Herausforderungen und Grenzfällen in der Neu- und Frühgeborenenmedizin.

Jan-Stephan Schweda, Leiter Unternehmenskommunikation am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, sprach mit mit Dr. Klaus Oettel über die Neu- und Frühgeborenenmedizin.

Herr Dr. Oettel, was versteht man unter Neonatologie?
“Die Neonatologie beschäftigt sich mit Krankheiten und gesundheitlichen Auffälligkeiten bei Neu- und Frühgeborenen. Die Grenze liegt hier bei der 37. vollendeten Schwangerschaftswoche. Neonatologie ist immer Teamarbeit. Wann der richtige Zeitpunkt für die Ärztinnen und Ärzte ist, das Kind zu untersuchen und ggf. zu behandeln, entscheiden in der Regel die pflegenden Kolleginnen und Kollegen. Es ist wichtig, dass unsere kleinen Patienten viel Ruhe haben, schlafen und wenn möglich auch mit den Eltern kuscheln. Entscheidend ist neben einem qualifizierten und engagierten medizinischen Team auch die spezielle Ausstattung der Klinik. Ein kleines Frühgeborenes benötigt zum Beispiel Unterstützung für den Wärmehaushalt. Hier kommen dann Wärmebettchen oder die sogenannten Inkubatoren, also für die Bedürfnisse des Kindes geeignete Brutkästen, zum Einsatz.”

Welche Kinder behandeln Sie in Ihrer Klinik?
“Zum Beispiel ein extrem kleines Frühgeborenes mit einem Geburtsgewicht von 480 g, ein kleines Frühgeborenes mit einem Geburtsgewicht von 1.370 g oder ein moderates Frühgeborenes von 2.100 g, welches Fürsorge und Unterstützung, unter anderem beim Trinken lernen, benötigt. Auch ein reifes Neugeborenes mit einem normalen Geburtsgewicht von 4.200 g muss in unserer Klinik behandelt werden, wenn es schwer erkrankt zur Welt kommt. So kommt es in seltenen Fällen auch bei einer normalen Geburt zu Anpassungsstörungen des Kindes hinsichtlich der Umstellung des Kreislaufs. Unsere Aufgabe ist es dann, den Kreislauf zu aktivieren, die allgemeinen Körperfunktionen zu stabilisieren und das Kind für eine gewisse Zeit zu überwachen.”

Wie kommt man zu einer Tätigkeit in der Neonatologie?
“Neonatologen sind Kinderärztinnen und Kinderärzte, die eine besondere zusätzliche Ausbildung durchlaufen haben. Diese dauert in der Regel mindestens zwei Jahre. Unsere pflegenden Kolleginnen und Kollegen absolvieren zunächst die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann. Im Anschluss wählen sie eine vertiefende Ausbildung im Bereich der Kinderheilkunde und können bei Interesse und Eignung in einem neonatologischen Bereich anfangen. Schließlich absolvieren sie noch eine Fachspezialisierung in der Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin. Ich selbst wollte ursprünglich gar nicht in die Neonatologie gehen – bis ich gemerkt habe, dass dies genau das ist, was mir liegt. Am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara bin ich, weil ich hier meine Vorstellungen von guter Medizin umsetzen kann.”

Was bedeutet für Sie der Begriff „Spitzenmedizin“?
“Für mich und mein Team bedeutet er keinesfalls, dass möglichst viele medizinische Gerätschaften zum Einsatz kommen oder Rekorde aufgestellt werden, was die erfolgreiche Behandlung sehr kleiner Frühgeborener angeht. Unser primäres Ziel ist es, die natürliche Schwangerschaft so lange wie möglich zu erhalten und damit dem Kind die Chance zu geben, möglichst lange im Mutterleib zu verbleiben. Wir nennen dies Prolongieren. Zum einen lässt sich viel über die richtigen Medikamente erreichen. Zum anderen überwachen wir den Zustand des ungeborenen Kindes mittels Ultraschall, um den optimalen Geburtstermin festlegen zu können. Bei allem, was wir tun, kommt es in erster Linie auf Erfahrung an.”

Wo liegen die Grenzen ihrer Möglichkeiten?
“Die Grenze der Lebensfähigkeit eines Kindes wird definiert zwischen der 22. und der 24. vollendeten Schwangerschaftswoche. Bei akut drohender Frühgeburtlichkeit beraten wir uns intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen der Klinik für Geburtshilfe und sind im engen Austausch mit den Eltern. Die Medizin hat heute enorme Möglichkeiten. Wir sehen aber auch die Endpunkte des Machbaren und begegnen den Grenzen, die uns die Natur vorgibt, mit Respekt.”

Was macht die Neonatologie am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara aus Ihrer Sicht besonders?
“Die Familien werden bei uns besonders gut aufgefangen, zum Beispiel durch psychologische Betreuung vor und nach der Geburt. Alle Kolleginnen und Kollegen unserer Klinik legen großen Wert darauf, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Eltern aufzubauen. Daraus entstehen zum Teil lange, fast freundschaftliche Bindungen der Familien zu unserem Team – häufig erhalten wir noch Jahre nach dem Aufenthalt bei uns Briefe, E-Mails oder Fotos. Das macht uns dann schon ein wenig stolz.”